Prokrastination im Büro: so viel werden Sie für Ihre Pausen bezahlt
Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen; wir alle kennen diese alte Weisheit und doch kennt so gut wie jeder das Gefühl, alles noch ein wenig aufschieben zu wollen. Die E-Mail, die wir erst nach mehreren Tagen beantworten, der Kunde, der auch nächste Woche noch zum Gespräch geladen werden kann oder die Bewerbung, die noch kurz vor der Abgabefrist fertiggestellt wird: Aufschieberitis, oder Prokrastination, hat viele Gesichter.
Oft kann es viel Überwindung kosten, eine ungeliebte Aufgabe anzufangen und da kommt der kleine Plausch mit der Kollegin in der Küche das Vernichten von ganzen Akten im Papierschredder oder das Aufräumen des Schreibtisches gerade recht. Allerdings, je länger man es herausschiebt, desto schwieriger wird es endlich loszulegen und die Gefahr sich noch ein wenig länger abzulenken besteht. Wie viel Zeit und Geld verschwenden wir mit dem Aufschieben der Arbeit? Um das herauszufinden haben wir vom 04. Bis zum 16. Mai eine Umfrage auf Facebook mit über 230 deutschen Arbeitnehmern durchgeführt. Außerdem haben wir ein Tool entwickelt, mit dem Sie ganz einfach testen können, wieviel Sie selbst fürs Prokrastinieren bezahlt werden.
In unserer Umfrage kam heraus, dass die drei Lieblingsaktivitäten der Deutschen, um am Arbeitsplatz zu prokrastinieren, die folgenden sind:
- Mit Kollegen tratschen (51%)
- Kaffee oder Tee (außerhalb der Mittagspause) zubereiten (40%)
- Social Media und andere Online-Aktivitäten (38%)
Warum wir prokrastinieren
Auch wenn die Gründe für das Aufschieben vielfältig sind, zeigt unsere Umfrage ganz klar einige Trends. Das Aufschieben einer unangenehmen Aufgabe steht bei den Gründen für Prokrastination mit 25,8 Prozent auf dem ersten Platz. 22,5 Prozent der weiblichen Teilnehmer geben außerdem an, dass sie Aufgaben oft aufschieben, weil sie sich vom Arbeitspensum überwältigt fühlen, während Männer am ehesten aus Langeweile (21,6 Prozent) unter Aufschieberitis leiden. Sowohl männliche (17,6 Prozent), als auch weibliche (17,7 Prozent) Kollegen schieben Arbeit durch einen Überschuss an zur Verfügung stehenden Zeit auf.
Arbeitspsychologin und Expertin für psychische Belastungen, Mag. Veronika Jakl weiß, die Gründe für Prokrastination können ganz unterschiedlich sein: „Es können organisatorische Gründe sein. Zum Beispiel sind die Ziele in einem Projekt nicht ganz klar. Dann habe ich bei jedem Arbeitsschritt das dumpfe Gefühl, dass sich das später als unnötige Arbeit herausstellen könnte. Oder, es gibt zu viele Dinge gleichzeitig zu tun. Dann erledigen viele Menschen das Dringlichste zuerst, wo die Deadline bald abläuft und schieben Wichtiges auf, was „nur“ langfristig wichtiger wäre. Oder, es sind persönliche Gründe. Wenn ich mir eine Aufgabe nicht zutraue, dann habe ich vorher schon Angst zu beginnen und schiebe das offiziell auf irgendeinen anderen Grund wie „fehlende Unterlagen“. Und wenn ich innerlich eigentlich sogar schon gekündigt habe, dann bin ich auch nicht mehr motiviert Aufgaben gut zu Ende zu bringen.“
Negative Konsequenzen durch Prokrastination
Auch wenn Prokrastination in der Regel verharmlost wird, kann es problematisch werden, wenn Arbeit einfach nicht gemacht wird. 44,3% aller Teilnehmer gaben an, dass sie ihre Arbeit erledigen, wenn sie sich ausreichend konzentrieren, aber wenn wir durchschnittlich etwa eine Dreiviertelstunde täglich Zeit verplempern statt zu arbeiten, holen wir dann diese Zeit nach? Wir wollten es wissen und jeder Zweite gab an, dass sie Arbeit entweder durch längere Stunden bei der Arbeit, an ihren Wochenenden oder zu Hause nachholen. Allerdings ergab die Studie auch, dass lediglich jeder Zehnte beim Prokrastinieren verlorene Zeit überhaupt nicht nachholt. Konsequenzen von erheblichem Prokrastinieren können für die Beteiligten ernst sein, denn obwohl der Großteil (64,3 Prozent) der Befragten angibt, nie erwischt worden zu sein, litt bei 15,8 Prozent ihre Arbeit darunter und 7,3 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben sogar an, Fristen verpasst oder Abmahnungen erhalten zu haben.
Wie wirkt sich das Prokrastinieren im Hinblick auf die gesamte Arbeitswoche aus? Fast die Hälfte der Befragten sind sich einig, dass sie jeden Tag gleich viel Zeit prokrastinieren. Bei den einzelnen Arbeitstagen rangiert Montag mit 18 Prozent klar als prokrastinations-reichster Tag auf dem ersten Platz. Gleich darauf folgt Freitag, den jeder Zehnte als Tag der Aufschieberitis sieht.
Bezahlt werden fürs Aufschieben
Bei einem durchschnittlichen Monatsgehalt von 3.771 €* und einer durchschnittlichen Prokrastinationsdauer von 47 Minuten täglich verdienen wir ca. 369 € beim Prokrastinieren im Monat. Auf ganz Deutschland hochgerechnet entspricht dies einer Zahl von 783,675,902€ pro Jahr, die durch Prokrastination verschwendet werden. Wieviel Sie genau bei verschiedenen Tätigkeiten und abhängig von Ihrem Gehalt verdienen, erfahren Sie durch dieses Tool:
Tipps gegen Prokrastination
Laut Expertin Jakl ist einer der wichtigsten Schritte um das Prokrastinieren zu reduzieren, Selbstreflektion, um herauszufinden, warum wir die zu erledigende Aufgabe aufschieben will. „Ich versuche in mich reinzuhören und mir klar zu werden, warum das [die Aufgabe] so ein Problem darstellt. Manchmal heißt das, sich auch einzugestehen, dass man bestimmte Aufgaben nicht gerne macht, weil sie nicht zum „Kern-Job“ gehören.“
Wenn die Aufgabe nicht delegiert werden kann und gemacht werden muss, dann können Sie sie sich versüßen und sobald die Aufgabe geschafft ist, eine Belohnung gönnen: „Wenn das [delegieren] nicht möglich ist, weil ich zum Beispiel einen unangenehmen Anruf machen muss, dann schließe ich einen Pakt mit mir selbst und gönne mir nach Erledigung beispielsweise eine leckere Schokolade.“
Besonders Führungskräfte habe eine signifikante Auswirkung auf die Motivation und damit Produktivität ihrer Mitarbeiter. Daher rät die Arbeitspsychologin den Vorgesetzten: „Klare Ziele setzen, Aufgaben gemeinsam mit dem Team priorisieren und Terminkollisionen vermeiden. Aber ich muss meine MitarbeiterInnen auch gut kennen und Ihnen die passenden Aufgaben geben. Wenn ich sie über- oder unterfordere brauche ich mich nicht wundern, wenn das Ergebnis nicht optimal ist.“
*statistisches Bundesamt, 2017; Rechnung ausgehend von einer 40-Stunden Woche
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